Verstandesgrenzen

Ein kluger Mensch, ein wunderlicher,

war sich des Wunders nicht mehr sicher,  

das ihn auf die Welt gebracht

in einer kalten Winternacht.

 

Als Kind hat man ihm doch erklärt,

dass alles, was ihm widerfährt,

ein weiser Mann im Himmel steuert,  

der seine Liebe stets beteuert.

  

Der Mensch fragte sich, wie der Mann  

zeitgleich so vieles regeln kann,  

und noch dazu von so weit oben,  

wo manchmal wilde Winde toben.

  

Es heißt doch, Gott sei gut, nicht schlecht.  

Doch er ist keineswegs gerecht!  

Er zeigt so oft Gleichgültigkeit  

bezüglich Krankheit, Schmerz und Leid.

  

"So einer soll mein Leben richten?  

Darauf kann ich doch glatt verzichten.  

Also, wenn ich allmächtig wäre,  

gäb's weder Krieg noch gäb's Misere."

 

Der Mensch hat sich dann abgewandt  

von Gott, weil er ihn nicht verstand.

So sind die Grenzen des Verstandes  

vor allem die des Tellerrandes.

 

Versteht ein Baby die Physik?

Das Publikum den Zaubertrick?

Ein Mensch kann nie alles verstehen,  

doch kann er vieles übersehen.

 

Vertrauen hilft dann ungemein,  

den Sinn zu seh'n in jedem Sein.  

Wenn das nicht jedes Mal gelingt,  

ist das, ganz einfach, menschbedingt.



                                          Judith Leja 

                                          August 2013